Hans Sluga
Möglichkeit und Notwendigkeit im Tractatus
Wittgenstein schreibt in seinem Tractatus: “Alles Geschehen und So-Sein ist zufällig.“ (6.41) Insofern als dieses Geschehen und So-Sein alle Tatsachen ausmacht, ergibt sich, dass die Welt insgesamt zufällig ist. Andererseits schreibt Wittgenstein gleich am Anfang des Tractatus aber auch: „In der Logik ist nichts zufällig.“ (2.012) Wie lässt sich die Zufälligkeit der Welt mit allem ihren Geschehen und So-Sein mit der Nicht-Zufälligkeit der Logik vereinbaren? Wie muss man den Begriff der Zufälligkeit hier verstehen? Wir stellen dem Begriff der Zufälligkeit gemeinhin den der Notwendigkeit gegenüber. Wittgenstein sagt andererseits, dass die Logik sich mit dem Begriff der Möglichkeit befasst. „Die Logik handelt von jeder Möglichkeit und die Möglichkeiten sind ihre Tatsachen.“ (2.0121) Zu gleicher Zeit besteht er darauf, dass das Logische nicht „nur-möglich“ ist. (Ibid.) Was ist die Natur des “Nicht-nur-möglichen”? Im Tractatus geht es Wittgenstein um zwei Dinge. Er will das Verhältnis der Logik zur Welt neu bestimmen und er will die Logik in neuer Weise bestimmen. Um dies zu verstehen, müssen wir seine modallogischen Überlegungen im Abschnitt 2.021ff. näher betrachten.
Hans Sluga ist Professor Emeritus an der University of California in Berkeley. Er ist der Autor von Gottlob Frege (1980), Wittgenstein, (2011), und Herausgeber (mit David Stern) des Cambridge Companion to Wittgenstein (1996/2018)